Theorie-Praxis-Transfer: Masterstudierende präsentieren ihre Forschungsergebnisse zu den Themen Bildung im Alter und was Kommunen leisten (können)

Ein Schwerpunkt des Masterstudiums der Sozialen Arbeit an der Hochschule Mittweida, Fakultät Soziale Arbeit ist das mehrsemestrige Praxisprojekt. Im Praxisprojekt konzipieren, absolvieren und reflektieren Studierende selbstständig ein Forschungsprojekt in Zusammenarbeit Organisationen aus der Praxis. Für das seit 2014 bestehende Kooperationsprojekt Aufbau einer Sozialberichterstattung für den Landkreis Mittelsachsen zwischen der Fakultät Soziale Arbeit und dem Landkreis Mittelsachsen gehört dieser inhaltliche Studienbaustein von Anfang zu einem fest verankerten Projektinhalt.

Mittlerweile haben insgesamt drei Masterjahrgänge im Fachgebiet der Integrierten Sozialplanung regionalspezifisch geforscht. Die Erfahrungen im kooperativen Theorie-Praxis-Transfer zeigen immer wieder, dass die Ergebnisse die statistischen Datenbestände in den Sozialberichten untermauern. Die studentischen Forschungsarbeiten geben einen tieferen Einblick in die Lebenslagen der Menschen vor Ort, leiten Handlungsempfehlungen für den Landkreis Mittelsachsen ab und es können auf Grundlage der Arbeiten u.a. auch weitere Forschungsfragen für das Kooperationsprojekt identifiziert werden.

In diesem Durchgang haben Studienende über drei Semester zu den Themen
Bildung im Alter und Soziale Teilhabe: Was Kommunen leisten (können) in der Sozialregion 5: West (Mittweida) und der Sozialregion 6: Nord (Döbeln) geforscht. Die Ergebnisse haben die Studierenden Ende Januar 2023 der Landkreisverwaltung vorgestellt.

Neben dem 2. Beigeordneten des Landkreises Jörg Höllmüller haben die Koordinatorin Integrierte Sozialplanung Sylvia Kempe, die Pflegekoordinatorin Susanne Finck, der Psychiatriekoordinator Matthias Gröll, die Koordinatorin für Gesundheitsförderung und Prävention Sabine Schmidt sowie Mitarbeiterinnen des Bildungsmanagements- und Bildungsmonitorings an der Veranstaltung teilgenommen.

Über die Ergebnisse wollen wir im heutigen Blogbeitrag berichten.     

 

Bildung im Alter

Weitermachende, Anknüpfende, Befreite oder Nachholende – Ruheständlertypen im Fokus: Analyse der Lebensphase und Lebenslage Altern im Landkreis Mittelsachsen

Eine Arbeitsgruppe ist der Frage nachgegangen, „welche Rolle spielt Bildung im Prozess des Alterns im Landkreis Mittelsachsen?“. Inhaltliche Schwerpunkte der Forschung waren die Fragen, welche Besonderheiten die Lebensphase Alter mit sich bringt, und welche Bedeutung Bildung im Prozess des Alterns einnimmt.

Die Studierenden untersuchten, welche Ruheständlertypen in Mittelsachsen wohnen – Weitermachende, Anknüpfende, Befreite oder Nachholende – und welche Interessen diese im Alter haben. Darüber hinaus sind sie der Frage nachgegangen, welche Aktivitäten im Ruhestand zum lebenslangen Lernen beitragen (z.B. Vorlesen, Reisen, Gesellschaftsspiele, Kreuzworträtsel lösen aber auch die Teilnahme an einem Computerkurs oder Sprachkurs). Die Studentinnen haben dazu qualitative Interviews mit älteren Menschen geführt und ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigen, dass Aktivitäten, die „nebenbei“ kognitive Fähigkeiten, Denkvermögen und soziale Kompetenzen stärken für die Befragten wichtiger sind als organisierte Bildungsangebote, wie z.B. ein Computer- oder Sprachkurs. Ältere Menschen wägen genau ab, ob und weshalb sie bspw. an einem Computerkurs teilnehmen. Dies ist z.B. dann der Fall, um digitale Kompetenzen zu erwerben, um mit Enkelkindern im Kontakt zu bleiben und diese Familienbeziehungen zu pflegen.

Im Rahmen der Interviews wurde des Weiteren deutlich, dass sich die betrachtete Generation neues Wissen und neue Fertigkeiten eher mit Unterstützung aus den vorhandenen sozialen Netzwerken (z.B. Familie, Nachbarn, Freunde) aneignet und weniger organisierte Bildungsangebote genutzt werden.

Es schließt sich hier die Frage an, ob und wie diesem Ergebnis mit der Gestaltung von Strukturen zum lebenslangen Lernen im Landkreis begegnet werden kann. 

Bildungsinteressen und -motive älterer Menschen im Landkreis Mittelsachsen

Eine weitere studentische Gruppe hat sich damit auseinandergesetzt, welche Bildungsinteressen ältere Menschen im Landkreis Mittelsachsen haben.

Die Forschung hatte zum Ziel, Interessen und Motive herauszuarbeiten sowie Hindernisse und Barrieren zu identifizieren. Außerdem wurde der Blick darauf gerichtet, ob es Unterschiede zwischen den ländlich geprägten Regionen und den eher städtisch geprägten Regionen im Hinblick auf unterschiedliche Bildungsinteressen gibt.

Im Rahmen des Teilprojektes wurden 140 telefonische Interviews mit älteren Menschen geführt. Die Befragten waren 60 Jahre und älter und insgesamt haben etwas mehr Männer an der Umfrage teilgenommen als Frauen. Die meisten der Befragten leben in Kommunen des Landkreises mit unter 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

Die Ergebnisse liefern einen ersten Überblick zu den Bildungsinteressen älterer Menschen. Interesse wurde in den Bereichen Reisen, Handwerk und Garten sowie Literatur bekundet. Weniger Interesse haben die befragten Mittelsächsinnen und Mittelsachsen in den Bereichen Sprache und Musik.

Zudem liefert die Auswertung der Interviews Hinweise, welche Hindernisse die Befragten für sich sehen, Bildungsangebote zu nutzen. Für knapp 45 Prozent Befragten ist der Besuch eines Angebotes ohne Begleitung von Angehörigen, Freunden oder Bekannten eine Hürde und damit die größte Hemmschwelle. Darüber hinaus wurde deutlich, dass ein Teil der Befragten keine zeitlichen Kapazitäten hat, einem organisierten Bildungsangebot nachzugehen. Anders als erwartet sind zurückzulegende Wege für die Befragten weniger ein Thema, da die meisten Befragten angegeben haben, selbst mobil zu sein (Auto).  

 

Bestandserfassung und -analyse von Bildungsangeboten

Eine dritte studentische Forschungsgruppe hat sich mit der Frage befasst, welche Angebote zur Bildung und zum Lernen vor Ort überhaupt vorhanden sind.

Die Studentinnen haben mithilfe eines Fragebogens und Internetrecherchen ermittelt, welche Bildungsangebote für Menschen über 60 Jahre gemacht werden. Unter Bildungsangeboten werden dabei angeleitete, zeitliche begrenzte und organisierte Veranstaltungen verstanden, die dem Wissens- und Kompetenzerwerb dienen. Zudem werden in diesen Angeboten Teilhabemöglichkeiten am gesellschaftlichen Leben gesehen.

Im Rahmen dieses Projektes konnten in den zwei untersuchten Sozialregionen 145 derartige Angebote erfasst werden, die von 28 Institutionen offeriert werden. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass das Gros an Angeboten generationsübergreifende Angebote sind und es nur sehr vereinzelt Veranstaltungen speziell für ältere Menschen gibt.

Die meisten Angebote können ältere Menschen in den Städten Döbeln und Mittweida nutzen. Das heißt, dass die Größe der Kommune eine entscheidende Rolle spielt, wie viele Angebote vor Ort stattfinden. Viele Veranstaltungen finden in der Woche am Nachmittag statt. Angebote an Wochenenden gibt es nur sehr wenig. Zudem sind über 85% der Angebote kostenpflichtig. Dieses Ergebnis zeigt auf, dass Teilhabemöglichkeiten am gesellschaftlichen Leben für ältere Menschen nicht uneingeschränkt für alle gleichermaßen genutzt werden können.  

 

Soziale Teilhabe: Was Kommunen leisten (können) – am Beispiel der Sozialregion 6: Nord (Döbeln)

Forschungshintergrund der Studierenden war es, zu klären, inwiefern Sport,- Kultur- und Freizeitangebote für alle zugänglich sind, z.B. auch für Menschen mit geringerem Haushalteinkommen. Darüber hinaus stellte sich die Frage ob, wann und für welche Bevölkerungsgruppen die Kommunen Ermäßigungen zur Nutzung dieser Angebote anbieten und wie die Nutzenden darüber informiert sind.

Was Kommunen leisten (können) – Um diese Frage zu beantworten, wurde an verschiedene Personen, die in der Kommune besondere Verantwortung tragen (z. B. Gemeinderatsmitglieder), aber auch an Bürgerinnen und Bürger ein Fragebogen verschickt. Die Studierenden analysierten die Öffnungszeiten, Gebühren und Vergünstigungen der Angebote. Darüber hinaus wurden Einwohnerinnen und Einwohner befragt, welche Angebote sie kennen und wie häufig sie diese nutzen.

Die Befunde verdeutlichen, dass Preise und Ermäßigungen sehr individuell festgelegt werden. Eine Vereinheitlichung der Preis- und Nachlassstrukturen wäre u.a. für Familien, Seniorinnen und Senioren sowie für Ehrenamtliche anstrebenswert. An dieses Ergebnis knüpft das zweite Fazit der Forschungsgruppe an: Bürgerinnen und Bürger wollen zielgerichtet und aktuell zu Öffnungszeiten und Preisen (insbesondere auch Ermäßigungen) informiert werden. Daher sieht das Forschungsteam im Bereich einer regelmäßigen Öffentlichkeitsarbeit Entwicklungspotential.

Es wird weiterhin empfohlen, die Voraussetzungen für Ermäßigungen einrichtungsübergreifend zu gestalten und regional abzustimmen, die Erreichbarkeit der Angebote mit den Fahrzeiten des öffentlichen Personennahverkehrs zu überprüfen und Öffnungszeiten an das Verhalten der Nutzenden anzupassen.