Gedenkfeier Prof. Dr. phil. Matthias Pfüller

Ein lebendiges Bild

Gedenkfeier zu Ehren von Matthias Pfüller

Zahlreiche Gäste, Verwandte, Freundinnen und Freunde, ehemalige Studierende, Kolleginnen und Kollegen sowie politische und akademische Wegbegleiter von Matthias Pfüller kamen am 15. November 2022 zur Gedenkfeier der Fakultät Soziale Arbeit nach Mittweida. In einem über zweistündigen Programm zeichneten sie ein überaus lebendiges, vielschichtiges Bild vom Leben und Wirken eines herausragenden kritischen Wissenschaftlers, Didaktikers der Erwachsenenbildung und Pioniers der Gedenkstättenarbeit.

Matthias Pfüller, von 1996 bis 2011 Professor an der Hochschule Mittweida, war am 23. August 2022 plötzlich im Alter von 76 Jahren gestorben. Dekanin Isolde Heintze würdigte in ihrer Eröffnung den Lebensweg und die akademische Laufbahn des ehemaligen Dekans der Fakultät Soziale Arbeit. Rektor Ludwig Hilmer berichtete von seinen Begegnungen mit einem streitbaren und eigensinnigen Kollegen, der seine und die Anliegen seines Faches engagiert und stets mit Nachdruck vertreten hat. Es folgte der Festvortrag des Politik- und Sozialwissenschaftlers Wolf Wagner zum Thema „Was ist gesellschaftskritische Sozialwissenschaft und mit welchen Mitteln sollen wir sie betreiben?“. In einer „posthumen Diskussion“ mit Matthias Pfüller ging es um den Stellenwert der Theorie, der empirischen Forschung und der Heranziehung von Detailstudien, der induktiven Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse. „Matthias Pfüller“, so beschrieb Wagner ihn, „war ein Freund des Details. Theorien waren nicht seins. Er lehnte sie ab.“ Gleichwohl habe er durchaus den hohen Stellenwert der Theorie, etwa von Marx und Freud, betont. Christoph Meyer, seit 2011 Nachfolger Pfüllers im Lehrgebiet „Bildung und Kultur in der Sozialen Arbeit“, leitete dann in kurzen Worten zum biografischen Teil der Veranstaltung über. Er habe Matthias Pfüller ungeheuer viel zu verdanken, so Meyer, tiefe Erkenntnisse auf zahlreichen Bildungsfahrten – zu zweit oder in der Gruppe. Pfüller sei es gewesen, der ihm seinerzeit bei einer der zahlreichen Autofahrten vorgeschlagen habe, sich doch auf die Professur – damals in Roßwein – zu bewerben.

Die anschließende Pause wurde nicht nur zum Raumwechsel genutzt, sondern zur feierlichen Benennung eines Raumes, des Raumes 39-201 im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit, in „Matthias-Pfüller-Saal“. Aus diesem Anlass stiftete Matthias Pfüllers Neffe Martin Stengele ein Porträtbild des Schweriner Males Heinz Postulka. Gemeinsam mit der Dekanin brachte er das Bild im Saal an. „Jetzt haben die Dozentinnen und Dozenten hier den kritischen Blick von Matthias auszuhalten – etwas auf Distanz, aber es wird der Lehre schon nutzen“, kommentierte Christoph Meyer die Aktion.

Die Veranstaltung, über 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren gekommen, wechselte sodann in den einzigen dafür geeigneten ebenerdigen Raum des Hauses, das Übungsstudio der Fakultät Medien. Dort waren in konzentrischen Kreisen Stühle aufgestellt, und es folgte ein Fish-Bowl-Erzählcafé, das heißt alle die wollten, erzählten aus dem Leben und von ihren Begegnungen mit Matthias Pfüller. Das gab eine dichte Atmosphäre. Den Anfang machte ein aus Konstanz stammender Schul- und Studienfreund, Karl-Ernst Ackermann. Ebenso wie dieser wies der Politikwissenschaftlicher Richard Stöss (wie Wolf Wagner Anfang der 1970er Jahre gemeinsam mit Matthias Pfüller in der „Sozialistischen Assistenten-Zelle“ an der FU Berlin aktiv) auf zahlreiche kritische und nonkonformistische Wortmeldungen von Matthias Pfüller hin. Diese reichten unter anderem von der Abiturrede bis hin zur Leitungsebene des Republikanischen Clubs der 1968er in Berlin. Es folgten Elisabeth Kohlhaas und Erik Gurgsdies, die Erinnerungen aus dem jahrzehntelangen Engagement von Matthias Pfüller in der Gedenkstätten- und Bildungsarbeit von Lüchow bis Mecklenburg-Vorpommern beisteuern konnten. Der gerade selbst frisch in den Ruhestand getretene Stefan Busse teilte Eindrücke von Matthias Pfüller aus der Sicht des langjährigen Kollegen an der Roßweiner Fakultät. Insbesondere die gemeinsamen Studienfahrten, unter anderem ins norddeutsch-ländliche Hohenwoos, hatte – nicht nur – Busse lebhaft in Erinnerung.

 

Ein Großteil der Anwesenden waren ehemalige Studentinnen und Studenten, vor allem aus der Roßweiner Zeit. Den streitbaren Hochschullehrer, der sich allerdings nicht auf die Seminare beschränkte, sondern Impulse in die Stadt- und Zivilgesellschaft, in die Gedenkkultur vor Ort und im Land setzte, stellten Ines Lammay, ehemals berufsbegleitende Studierende sowie die Bachelor- und Masterabsolventin Sophie Spitzner vor. Schließlich berichtete Susanne Gärtner (heute riesa efau) aus ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit Matthias Pfüller als Kooperationspartnerin im Bachelorprojekt, das einst unter den Labels „Bildungsarbeit“ und „Gedenkstättenarbeit“ begonnen hatte, heute weiter erfolgreich läuft und nun den Titel „TeilHaben“ trägt.

Nach der Veranstaltung konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch mit einer Suppe stärken. Einigen interessierten Ehemaligen, die noch nie im immerhin schon seit 2014 bezogenen Gebäude in Mittweida gewesen waren, gab Christoph Meyer noch eine kleine Führung durch das „neue“ Haus. Schließlich klang der Abend bei „Erfrischungsgetränken“ – das Wort wurde als Schöpfung von Matthias Pfüller identifiziert – gemütlich aus; die Letzten (unter denen übrigens zugleich die Ältesten der Anwesenden waren) verließen das Gebäude erst, als es auf die Mitternacht zuging. Natürlich wurden dort weitere Erinnerungen ausgetauscht und Fragen der Bedeutung der Sozialen Arbeit für die politische und Erinnerungskultur – und umgekehrt – diskutiert.

Neffe Martin Stengele bedankte sich für die Gedenkfeier zu Ehren von Matthias Pfüller und fügte dem hinzu: „Mir war nicht bewusst, welchen großen Einfluss er auf Lebenswege so vieler Menschen in seinem Umfeld hatte. Es gab viele Momente, die mich sehr berührt haben. Es gab, erfreulicherweise, auch zahlreiche Momente zum Schmunzeln und Lachen. Die Teilnehmerzahl sprach ja für sich und zeigt, wie viele ihm doch so nah verbunden waren.“ 

Das war – organisiert vor allem von Erika Thieme und Christoph Meyer – ein würdiger Abschied, der allerdings vielen klar gemacht hat, wie viel von dem, was Matthias Pfüller geleistet und gelehrt hat, in den Köpfen und in den Strukturen der Fakultät und der Bildungsarbeit bleibt und weitergetragen wird. Ein lebendig wirkendes Bild hängt jetzt im Matthias-Pfüller-Saal, und im sonst oft trüben November, drei Tage nach seinem 77. Geburtstag, hat die Fakultät mit diesem Abend ein lebendiges Bild von Matthias Pfüller vermittelt.