Fokus Forschung: Eine Frage des Blickwinkels

Digitale Fachtagung Qualitätsmanagement in der Sozialwirtschaft


Qualität ist immer eine Frage des Blickwinkels – diese und viele andere Aussagen beschäftigten die Teilnehmenden aus Forschung und Praxis einer Onlinefachtagung über Zoom am 19. November 2021. Eingeladen hatte die Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmanagement / Sozialwirtschaft als Vereinigung der Lehrenden und Forschenden dieses Fachgebietes zusammen mit der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida.

Zunächst begrüßte die Dekanin Prof. Isolde Heintze die Teilnehmenden. In seinem Eingangsvortrag hob Prof. Klaus Grunwald die Herausforderungen hervor, die Sozialorganisationen beim Management von Qualität ihrer sozialen Dienstleistungen zu bewältigen haben. Für den Hochschullehrer der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart ist hier nicht der allwissende Manager gefragt. Führung sollte vielmehr ihre Grenzen kennen und diese offen reflektieren; mit diesem „postheroischen“ Ansatz gewinne sie letztlich Glaubwürdigkeit.

Qualitätsmanagement betrachtet Organisationen grundsätzlich aus einer Struktur-, Prozess- und Ergebnisperspektive. Prof. Ludger Kolhoff von der Ostfalia – Hochschule Braunschweig / Wolfenbüttel blickte auf eine Reihe erfolgreicher Praxisprojekte zurück, bei der er eine systematische Struktur- Prozess- und Wirkungsevaluation anwendete. In einem Projekt band er beispielsweise Menschen mit Beeinträchtigungen mittels der Methode World Café aktiv in die Strukturevaluation von Angeboten der Eingliederungshilfe ein. Ihre Wünsche und Vorstellungen bestimmten die strategische Planung zukünftiger sozialraumorientierter Angebote.

Wie Prof. Kolhoff, so ist auch Prof. Olaf Lobermeier an der Ostfalia – Hochschule Braunschweig / Wolfenbüttel tätig. Qualitätsentwicklung bedeutet für ihn vor allem, dass Soziale Arbeit auch wirksam ist. Diese zunächst als selbstverständlich anmutende Annahme stößt in der Sozialen Arbeit schnell an Grenzen, da sich Entwicklungen bei Klient:innen nicht immer eindeutig bestimmten Ursachen und Einflüssen zuordnen lassen. Um hier mehr Transparenz herzustellen, plädiert er für eine enge Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft von der Problemanalyse bis zur Maßnahmenevaluation.

„Die Vorträge aus Wissenschaft und Praxis haben sich sehr gut ergänzt“, so der Organisator und Moderator Prof. Sebastian Noll von der Fakultät Soziale Arbeit in Mittweida. Ines Kreher, Hortleiterin und Mitglied des QM-Arbeitskreises der Kinderwelt Erzgebirge e.V., stellte eindrucksvoll Verlauf sowie Chancen und Probleme der Einführung von Qualitätsmanagement bei ihrem Träger vor. Wie die Wissenschaftler zuvor betonte sie die enorme Herausforderung, die unterschiedlichen Sichtweisen aller Beteiligter zu bündeln sowie die Notwendigkeit, den gewählten Pfad fortlaufend zu reflektieren und zu korrigieren.

Ebenfalls hoben alle Referent:innen die zentrale Stellung der Mitarbeitenden für das Qualitätsmanagement hervor. Der zweite Praxisvertreter, Dr. Thomas Schmidt von der Diakonie Stadtmission Chemnitz e.V., betrachtete in seinem Referat abschließend den Bereich der „weiteren besonderen Wohnform“ (ehemals ambulante Hilfen) in der Eingliederungshilfe. Für mehr Qualität plädierte er für ein Tandemmodell, nach dem multiprofessionelle Mitarbeitendenteams Klient:innen betreuen. Dadurch verspricht er sich konstantere langfristige Beziehungen zu den Klient:innen und ein besseres Handling der Nähe-Distanz-Problematik.

In mehreren Diskussionsrunden wurde das Publikum einbezogen und sprach dabei Probleme wie die Umsetzung von Qualitätsmanagement im Organisationsalltag an. Qualität ist immer eine Frage des Blickwinkels, und diese Blickwinkel anderer gelte es einzubinden und ernst zu nehmen. Mitarbeitende und Adressat:innen müssen bei der Entwicklung eines Qualitätsmanagements möglichst früh und umfassend beteiligt werden, um die Chancen auf eine Umsetzung im Organisationsalltag zu verbessern.

Foto: Christian Kästner
Text: Prof. Sebastian Noll, Annett Kober