18. Regionaler Jugendhilfefachtag "Soziale Arbeit in Kontexten von Bildungsinstitutionen - Chancen, Grenzen und die Frage nach der Identität"

Wissenschaftler_innen und Fachkräfte aus der Praxis im regen Austausch

Auf Initiative von Prof.in Dr.in Wolf, Frau Beyer und Prof. Dr. Beetz fand am 3. November 2017 der Jugendhilfefachtag erstmals an der Hochschule Mittweida statt. Über viele Jahre hatte sich die Fachtagung an der TU Dresden etabliert. Nun war die Zeit gekommen, den Ort des Geschehens nach Mittweida zu verlegen.

Neben Wissenschaftler_innen fanden sich viele Fachkräfte aus der Praxis im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit ein. Bereits vor der offiziellen Eröffnung fand ein reger Austausch bei Kaffee und Tee statt. Frau Beyer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der HS Mittweida, schaute zufrieden in die Runde. Sie hatte den Großteil der Organisation dieser Veranstaltung übernommen. Auch freute sie sich, dass etliche Absolventen der Sozialen Arbeit als Fachkräfte an dieser Tagung teilnahmen.

„Schule vor neuen Herausforderungen – Chance für Soziale Arbeit?“

Nach der offiziellen Begrüßung durch Prof.in Dr.in Ehlert und Prof.in Dr.in Wolf übernahm Prof. Dr. Beetz die Moderation der Veranstaltung und kündigte Prof. Dr. Schubarth (Universität Potsdam) als Input – Geber mit seinem Vortrag „Schule vor neuen Herausforderungen – Chancen für Soziale Arbeit?" an. Prof. Dr. Beetz verwies vorweg auf Prof. Dr. Schubarths Vermögen, verschiedene Perspektiven hinsichtlich der Schnittstelle Schule und Soziale Arbeit einnehmen zu können.

Das Auditorium wurde nicht enttäuscht.

Einleitend stellte er die Diskussion in der Öffentlichkeit hinsichtlich Erziehung im Allgemeinen sowie dem Ansehen der Institution Schule innerhalb Sachsens dar.

Er beschrieb die Funktionen von Schule aus Sicht der Forschung und ging anschließend auf die Anforderungen ein, die an die Soziale Arbeit gestellt werden. Er arbeitete heraus, dass vielschichtige soziale Probleme, „Kindheit im Wandel“ sowie „Individualisierung und Orientierungsbedarfe“ Lehrkräfte vor Herausforderungen stellen. Diese sozialpädagogischen Aufgaben können sie nicht wahrnehmen. Stattdessen werden Schüler_innen im Schulalltag oft auf ihre Rolle der Leistungserbringenden reduziert. Es wird sich auf die Beschulung in den Kernfächern konzentriert, wodurch sich ein „verengter Bildungsbegriff“ durchsetzt. Damit fallen Wertevermittlung und demokratische Erziehung hinten runter. Die Wichtigkeit dieser Aufgabe zeigen jedoch immer wiederkehrende Konflikte an Schulen, zum Beispiel hinsichtlich Rechtsextremismus oder Mobbing. Die Schulsozialarbeit als Kooperationspartner kann hier ein wichtiger Akteur sein.

Mit Ausblick auf die folgende Diskussion fasste Prof. Dr. Schubarth zusammen, dass eine Kooperation zwischen Schule und Schulsozialarbeit gelingen könnte. Voraussetzungen sind eine Kommunikation auf Augenhöhe und die Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes bzw. gemeinsamer Werte. Gleichzeitig sieht er es als wichtig an, als Sozialarbeiter_in an der Schule selbstbewusst und professionell aufzutreten und sich weiterhin ein eigenes Netzwerk aufzubauen.

Verschiedene Professionen diskutierten multiperspektivisch

Damit war eine Grundlage für die Diskussion geschaffen. Diese wurde rege genutzt.

Mit Fragen wie „Muss Schule unser Klient sein?“ oder „Will die Schule uns überhaupt haben?“, meldeten sich anfangs kritische Stimmen aus der Wissenschaft.

Mit einer Schulleiterin, einem Inklusionsassistenten sowie Schulsozialarbeiter_innen kamen Fachkräfte aus der Praxis zu Wort, die teilweise sehr gute Erfahrungen mit der Sozialen Arbeit an Schulen gemacht haben oder wenigstens einen entsprechenden Bedarf an Schulen sehen und ihren Einsatz als notwendig erachten.

Prof. Dr. Beetz freute sich über die Beteiligung verschiedener Professionen an der Diskussion und empfand den multiperspektivischen Blick als gute Gegenmaßnahme zur sonstigen „Lagerspalterei“.

Während der Diskussion wurde weiterhin herausgearbeitet, dass die Kommunikation zwischen Schule und Sozialarbeiter_in auf Augenhöhe oft schwierig zu realisieren ist. Denn Werte sind durch die Pluralisierung breit gefächert und eine Einigung nicht immer absehbar. Auch fehlt für eine Verständigung oft die Basis. In der Lehre der Sozialen Arbeit kommen Studierende nicht an dem Thema Schule vorbei, während in Lehramtsstudiengängen Bezüge zur Sozialen Arbeit keine Rolle spielen.

Fachaustausche in vier verschiedenen Arbeitsgruppen

Um den Fachaustausch noch produktiver zu gestalten, wurden die Teilnehmer_innen gebeten, sich nach der Mittagspause den vier Arbeitsgruppen:

- AG 1 Soziale Arbeit in der Schule

- AG 2 Soziale Arbeit im Kindergarten

- AG 3 Soziale Arbeit in der schulbezogenen Unterstützung zur Berufsorientierung

- AG 4 Soziale Arbeit in Kooperation/multiprofessionelle Teams

zuzuordnen. Die Ergebnisse sollten dann in der Podiumsdiskussion nach der Kaffeepause zusammengetragen werden.

Das neue sächsische Schulgesetz (11. April 2017) versus das Prinzip der Freiwilligkeit in der Jugendhilfe oder „Nein, ich bin nicht so beschäftigungslos wie ich aussehe!“

Auf dem Podium nahmen, neben Prof. Dr. Beetz, Dr. Thomas Markert (TU Dresden, AG 1), Jana Juhran (Institut 3L Dresden, AG2), Mario Opitz (ASG Sachsen mbH, AG 3) und Prof.in Dr.in Liebscher-Lebiella (AG 4) Platz.

Zunächst berichteten sie von den Ergebnissen ihrer Arbeitsgruppen. Ursache für einige Probleme ist demnach die Diskrepanz zwischen verordneter Schulsozialarbeit, durch das neue sächsische Schulgesetz (11. April 2017), und dem Grundprinzip der Jugendhilfe – die Freiwilligkeit.

So gehört es zum Alltag vieler Schulsozialarbeiter_innen, dass sie ihre Aufgaben gegenüber der Schulleitung immer wieder erklären müssten. Auch muss sich manch einer davor verwahren, Lücken in der Pausenaufsicht zu schließen.

Der Kampf um einen angemessenen Beratungsraum mit entsprechender Ausstattung hatten alle Arbeitsgruppen thematisiert. Es mangelt mancherorts an Akzeptanz. Die Legitimation der Sozialen Arbeit im Kontext von Bildungsinstitutionen ist nur eingeschränkt gegeben.

Abschließend appellierte Prof. Dr. Beetz an die Teilnehmer_innen, dass die Soziale Arbeit nicht in der Fixierung verharren sollte: „Wir und die Anderen“. Dualität ist keine Option.

Der 18. Regionale Jugendhilfefachtag stimmte jedenfalls optimistisch. Denn er vermittelte den Eindruck, dass diese Haltung in Wissenschaft und Praxis bereits angekommen ist.

Text und Fotos: Josephine Raue