Sommercamp am Yalchick

Praktikum in Russland

Ein Sozialarbeiterstudium an der Hochschule in Mittweida bietet den Studierenden Möglichkeiten, ihr deutschsprachiges Studium durch verschiedene internationale Anteile abzurunden. Diese Gelegenheit haben in diesem Sommer mit Franziska Blank, Thomas Löffler und Carsten Mackeldey drei Studenten wahrgenommen, indem sie, im Anschluss an ihr Praxissemester, ein über die Wolga-State University in Joschkar-Ola organisiertes Auslandpraktikum in der russischen Republik Mari-El absolvierten.

Joschkar-Ola, die Hauptstadt der mit mehr als 70% Waldfläche bedeckten Republik Mari-El, ist ca. 800 Kilometer südöstlich von Moskau gelegen und ein Reiseziel, in das sich bisher noch wenige ausländische Touristen verirren. Auch den drei Praktikanten war die Republik Mari-El bis kurz vor Beginn ihrer Reise nur ein unbekannter Name in einem fernen Land.
Nach dem alle bürokratischen Hürden überwunden waren, konnten die Drei am Abend des 23.7.2014 ihre lange Reise in Richtung eines sich bereits im Vorfeld als interessant anmutenden Praktikums antreten. Vom Flughafen Berlin Tegel aus ging es dann bei sommerlichen Bedingungen in Richtung des vermeintlich immer kühlen Moskaus. Dort angelangt wurden sie direkt mit den ersten Sprachproblemen konfrontiert, als sie feststellten, das es dort nicht zwangsläufig üblich ist, dass einem überall mit fließendem Englisch begegnet wird. Mit einigen russischen Wörtern, einem Wörterbuch und daraus abgeschriebenen kyrillischen Worten nahm das Abenteuer seinen Lauf. Glücklicherweise war genug Zeit, den Umsteigebahnhof auch ohne Sprach- und Ortskenntnisse zu erreichen. So hatten die Drei bereits eine erste Gelegenheit, die beeindruckende Kulisse der Metropole zu bestaunen. Mit ihren 18,5 Millionen Einwohnern ist Moskau mehr als fünfmal so groß wie Berlin. Am Abend des zweiten Tages hieß es dann für die Reisegesellschaft, völlig übermüdet, in die Eisenbahn einzuchecken. Die Reise mit der Bahn bot den Studenten einen wundervollen Ausblick über die Wälder, Städte, Wiesen und Flussläufe eines ihnen bis dahin noch unbekannten Landes. Nach 13 Stunden Fahrt im Schlafwagen, bei guter Verpflegung und trotz der Verständigungsschwierigkeiten nettem Service war es soweit. Joschkar-Ola, das Ziel einer 30 stündigen Reise, wurde um 6:52 Uhr pünktlich auf die Minute angefahren. Hier konnten die Reisenden bereits in den Morgenstunden eine Vorstellung davon erwerben, was russische Gastfreundschaft bedeutet. Herzlichst wurden sie von einer Mitarbeiterin der Wolga-State University empfangen und von einem Fahrer in ihr Übergangsquartier gebracht. Die kommenden Tage wurden von der Gasthochschule dazu genutzt, die Gäste mit der neuen Umgebung vertraut zu machen, die Rahmenbedingungen des Praktikums zu erläutern und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auf die Durchführung des Praktikums vorzubereiten. 

Nach einer Woche war es schließlich so weit, die Rucksäcke waren wieder einmal gepackt und die Reise zum Yalchick, dem Ort ihres Praktikums, stand bevor. Nach eineinhalb Stunden Fahrt durch riesige und scheinbar unberührte Wälder erreichten die Studenten der Hochschule Mittweida das Ferienlager der russischen Partnerhochschule am Ufer des Sees Yalchick in mitten eines Naturschutzgebietes. Das aus Blockhütten bestehende Ferienlager beherbergte Familien mit Eltern, Kindern, Tanten und Onkeln sowie Großeltern gleichermaßen wie Alleinstehenden und Paare, die seit teilweise mehr als 20 Jahren ihre Ferien in diesem Naturidyll verbrachten. Die Ankunft der drei Gäste aus Mittweida, die sich im Rahmen eines Praktikums durch die Gestaltung von europaspezifischen Angeboten für Kinder und Jugendliche in den Ablauf des Sommercamps einbringen wollten, hatte sich schnell herum gesprochen. In den ersten Tagen, in denen die Praktikanten von dem ihnen bereits durch sein Austauschsemester in Mittweida bekannten Austauschstudenten Alexander Sannikov begleitet wurden, lernten sie viele Menschen innerhalb des Camps kennen, von denen sie stets herzlich empfangen wurden. Alexander Sannikov half den Studierenden aus Mittweida außerdem, sich mit den Organisationsstrukturen des Camps vertraut zu machen. Anfänglich hatten die Studierenden alle Hände voll zu tun, die von ihnen erarbeitete Angebotsstruktur auf die Anforderungen, Bedürfnisse und Interessen der Anwesenden vor Ort abzustimmen. Darüber hinaus waren sie nicht nur Durchführende eigener Angebote, sondern wurden auch in das Rahmenprogramm des Camps mit eingebunden. Vor der Premiere gingen den Studierenden viele Fragen durch den Kopf:
-Würde die Übersetzung funktionieren?
-Würden die Kinder etwas mit dem Programm anfangen können?
-Würde das Programm den Anforderungen unser Gastgeber genügen?
Diese und auch andere Ängste konnten den Praktikanten durch die Bestätigung, die sie in den freudigen Augen der Kinder und Jugendlichen sowie dem positiven Feedback der Erwachsenen fanden, zerstreut werden. Von nun an wurde das Praktikum für die Studierenden aus Mittweida zu einer bereichernden und durchaus spaßigen Erfahrung. Während dieser erhielten sie zum einen Einblick in einem für sie bis dahin nicht vertrautes Arbeitsfeld, aber auch die einmalige Gelegenheit, eine fremde Kultur als sprachfremder Ausländer im Leben und Arbeiten mit und unter der Bevölkerung des Landes zu erleben.

Alles in allem ist es den Studierenden durch die Absolvierung dieses Praktikums gelungen, zum einen interkulturelle Kompetenzen zu erwerben, ihre organisatorischen Fähigkeiten zu erproben und weiter zu entwickeln, darüber hinaus auch sozialarbeiterische Methoden im Feld anzuwenden, Netzwerke im beruflichen sowie persönlichen Sinne zu knüpfen und ihren persönlichen Horizont zu erweitern. „Wir kamen als Fremde und gingen als Freunde.“ Zum Abschluss des Praktikums flossen nicht nur auf Seiten der Kinder und Jugendlichen, sondern auch auf Seiten der angehenden Sozialarbeiter Tränen als es hieß, nun würde der Yalchick von ihnen womöglich für immer verlassen. Zurück in Joschkar-Ola blickten die Praktikanten dann in die freudigen Augen von Herrn Professor Shalayev, der als Koordinator des Praktikums von Seiten der Wolga-State University verantwortlich war. Er überreichte ihnen die vom russischen Wissenschaftsministerium unterschriebenen Zertifikate. Die Rückreise nutzten zwei Studenten, nach nunmehr über 20 Tagen in der russischen Provinz, für einen Aufenthalt in der geschichtsträchtigen Metropole Moskau. Von einem Hostel im nahen Zentrum aus wurden zum Abschluss einer arbeitsamen, aber alles in allem großartigen Reise, Erkundungstouren in beliebte Touristenziele wie den Kreml, das Kaufhaus GUM, den Roten Platz und unzählige andere Sehenswürdigkeiten unternommen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge saßen die beiden Studierenden dann am Nachmittag des 28.8.2014 in ihrem Flieger zurück nach Berlin.

Autor und Fotos: Carsten Mackeldey