Praxisforschungstag II - Praxisforschungsprojekt der Masterstudierenden
„Entwicklung einer Sozialberichterstattung für den Landkreis Mittelsachsen“
Seit 2014 kooperiert die Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule mit dem Landkreis Mittelsachsen und unterstützt den Landkreis in seinem Vorhaben ein Konzept zur Integrierten Sozialplanung aufzubauen und auszugestalten. Das Projekt widmet sich der Aufgabe, den kommunalen Akteuren Impulse für die Weiterentwicklung der Sozialverwaltung zu geben und Hilfe zur Selbsthilfe für eine autonome sozialplanerische Berichtstätigkeit zu vermitteln sowie sie bei der Fortschreibung konti-nuierlich zu unterstützen und zu begleiten.
Seit Beginn der Forschungskooperation werden Masterstudierende im Rahmen von mehrsemest-rigen Praxisforschungsprojekten einbezogen. So fand am 23.01.2018 bereits zum zweiten Mal eine Abschlusspräsentation unter dem Titel „Praxisforschungstag“ statt. Vor Vertreter*innen des Landkreises aus den Bereichen Jugend, Gesundheit, Soziales, dem Jobcenter sowie der Stabsstelle Asyl stellten die Arbeitsgruppen ihre Forschungsergebnisse dar. Grundlage der Forschungsarbeiten ist der im Frühjahr 2017 veröffentlichte Sozialbericht sowie vom Landkreis Mittelsachsen angeregte aktuelle Themen.
Unter dem Titel „Allein, Alleiner, Alleinerziehend – von der besonderen Belastung Alleinerzie-hender bei der Integration in den Arbeitsmarkt“ stellte eine Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse zu der Forschungsfrage „Welche Faktoren beeinflussen die Beteiligung Alleinerziehender am Erwerbsleben im Landkreis Mittelsachsen?“ vor. Mit Hilfe von leitfadengestützten Interviews fand die For-schungsgruppe folgende zentrale Einflussfaktoren heraus: Alter des Kindes, intrapersonelle Ein-flüsse, Möglichkeiten der Kinderbetreuung, staatliche Einflussfaktoren, Rahmenbedingungen seitens der Arbeitgeber*innen sowie psychosoziale Zusammenhänge. Die Befunde liefern vor allem für das Jobcenter neue Erkenntnisse und wurden von dessen Vertreter*innen als zentrale weitere Anknüpfungspunkte herausgestellt.
Eine weitere Arbeitsgruppe befasste sich mit dem Schwerpunktthema Pflege und Demenz. Die Studierenden gingen zwei zentralen Fragen nach: zum einen „Welche Bedarfe haben pflegende Angehörige von Demenzerkrankten?“ und zum anderen „Welche Unterstützungsmöglichkeiten bestehen bereits und wie wirksam sind diese?“. Regional wurde diese Fragestellung in der Sozialregion 5: West (Mittweida) untersucht. Methodisch wurde auch diese Fragestellung qualitativ bearbeitet. Auf Grundlage leitfadengestützter Interviews lassen sich die Ergebnisse in aller Kürze wie folgt zusammenfassen. Betroffene wünschen sich mehr Unterstützung bei der Organisation des Alltags mit Demenzerkrankten, zum Beispiel in Form von Haushaltshilfe, Nachtpflege oder kurzfristige Pflege bei eigenem Ausfall. Ferner thematisierten Interviewpartner*innen die geringe Wertschätzung der Gesellschaft für die geleistete Arbeit und finanzielle Schwierigkeiten. Aus Sicht der Expert*innen im Arbeitsfeld wurden folgende Faktoren offenkundig: es bedarf mehr Aufklärung über bestehende Hilfesysteme, eine bessere finanzielle Unterstützung für Betroffene, Selbsthilfegruppen für Pflegende, Informationen zum Krankheitsbild in Form von Schulungen und Informationsmaterial sowie mehr Unterstützung im Alltag für die Personengruppe. Darüber hinaus gelang es der Arbeitsgruppe bereits vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen und die Wirk-samkeit im Rahmen der Gespräche zu prüfen. Aus den Ergebnissen konnten zentrale Handlungsempfehlungen für den Landkreis abgeleitet werden, z.B. der Ausbau von Beratungsangeboten, die Intensivierung der bereits bestehenden Vernetzungsstrukturen aller Angebote im Arbeitsfeld, die Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit zur Enttabuisierung des Krankheitsbildes, die Bereitstellung kostenloser Pflegekurse und Schulungen, die Etablierung von Entlastungsangeboten sowie Selbsthilfegruppen.
Eine weitere Forschungsgruppe widmete sich dem aktuellen Thema „Asyl in Mittelsachsen“. Dieses Schwerpunktthema wurde sowohl qualitativ als auch quantitativ von den Studierenden bearbeitet. Der quantitative Forschungsstrang verdeutlichte die statistische Verteilung von Geflüchteten nach soziodemographischen Merkmalen im Landkreis Mittelsachsen. Überdies konnte eine zielgruppenspezifische Angebotskarte entwickelt werden, welche in den nächsten Wochen online öffentlich zur Verfügung gestellt werden soll. Der qualitative Forschungsstrang bediente sich ebenfalls der Methode der Leitfadeninterviews, welche sowohl mit hauptamtlichen als auch mit ehren-amtlichen Mitarbeiter*innen im Arbeitsfeld geführt wurden. Die Forschungsgruppe bilanzierte zum Abschluss, dass „die eigentliche Integrationsarbeit/Integrationsleistung erst jetzt beginnt“ und bezeichnete dies als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe.
Eine vierte Gruppe Studierender forschte qualitativ zu dem aktuellen Thema „Bildungsempfehlungen“. Unter dem Titel „Einstellung der Eltern zur Bildungsempfehlung und zum Schulwechsel in die Sekundarstufe I“ präsentierten die Studierenden ihre Ergebnisse, welche auf Grundlage leitfa-dengestützter Interviews mit Eltern abgeleitet werden konnten. Ausgangspunkt der Untersuchung waren die enormen Unterschiede im Hinblick auf die Erteilung der Bildungsempfehlung von Region zu Region im Landkreis, aber auch von Schule zu Schule. Innerhalb des Forschungszeitraumes kam es zur Reform des sächsischen Schulgesetzes. Eltern müssen sich nicht mehr nach der Empfehlung der Lehrer*innen richten. Die Reform beeinflusste die Untersuchung maßgeblich. Die Resultate zeigen, dass regionale Faktoren wie z.B. die Entfernung zur weiterführenden Schule ebenso Einfluss auf die Schulwahl nehmen wie die Bildungsbiografie der Eltern sowie ökonomische und zeitliche Faktoren.
Die studentischen Forschungsarbeiten sind ein wichtiger Baustein für das fortlaufende kooperative Forschungsprojekt. Prof. Dr. Isolde Heintze schätzt die Ergebnisse wie folgt ein: „Nach dreisemestriger intensiver Forschungsarbeit haben die Studierenden Ergebnisse vorgelegt, die dem Landkreis bemerkenswerte Impulse und wichtige Empfehlungen für die zukünftige Gestaltung der Lebensbedingungen in der Region sowie für die Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur vor Ort geben können."
Nach der Veröffentlichung des Sozialberichtes im letzten Jahr untersetzen die Projektmitarbeite-rinnen Tabea Esche, M. A. und Friederike Haubold, M. A unter der Leitung von Prof. Dr. Isolde Heintze die quantitative Datengrundlage aus dem Sozialbericht in der Region Döbeln mit weiterfüh-renden qualitativen Analysen. Darüber hinaus beginnt die Planung der Fortschreibung des 1. Sozialberichtes für den Landkreis Mittelsachsen.
Text: Tabea Esche