3. Fachtag | Netzwerk Migration Mittelsachsen 2018 - "Leben im Landkreis - Miteinander gestalten"

Text: Maxi Richter und Sarah Wiesemann

Am 29.09 2018 fand der dritte Fachtag zum Thema Netzwerk Migration Mittelsachsen „Leben im Landkreis - Miteinander Gestalten“ im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida statt.

Dieser Fachtag erfolgte in Zusammenarbeit mehrerer Akteure (u.a. mit der Hochschule Mittweida, dem Treibhaus e.V. Döbeln, dem kommunalen Bildungsmanagement Mittelsachsen für Integration, dem Freistaat Sachsen im Rahmen des Landesprogramms „Integrative Maßnahmen“, der Kommunalen Integrationskoordination sowie dem Projekt „Willkommen in Döbeln“).

Der Fachtag bot für Akteur*innen, Engagierte, Flüchtlingssozialarbeiter*innen, Asylbewerber*innen und kommunale Vertreter*innen des Landkreises einen Raum, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Dabei sollen Erfahrungen und Erkenntnisse ausgetauscht werden, um neue Ansätze für die Soziale Arbeit mit Geflüchteten zu entwickeln.

Herr Fuchs (u.a. Projektleiter von „Willkommen in Döbeln“) eröffnete die Veranstaltung mit einer Begrüßung und einer Danksagung an das Organisations- und Vorbereitungsteam der Veranstaltung.

Anschließend wurde der Dekan der Fakultät Soziale Arbeit Herr Prof. Beetz nach vorn gebeten. Wie auch im vorhergehenden Jahr moderierte er die Fachveranstaltung. Mit der Aktualität von Flucht und Migration leitete er in die Thematik ein und wies auf die Bedeutung solcher Treffen hin. Zur Bewältigung der vorherrschenden Situation sei die Zusammenarbeit und Kooperation verschiedener Bereiche in diesem Arbeitsfeld sehr wichtig.

Herr Prof. Beetz bat Frau Noetzel (Stabsbereich Koordination Unterbringung und Integration im Landkreis Mittelsachsen) auf die Bühne. Sie hielt den ersten Vortrag zum Thema „Migration Mittelsachsen- Zahlen, Fakten, Informationen“ und gab damit einen Gesamtüberblick zur aktuellen Situation in Mittelsachsen. Die Referentin erläuterte die Zuständigkeiten in der Ausländerbehörde und informierte über die einschlägige Gesetzgebung (Asylgesetz, Aufenthaltsgesetz, Freizügigkeitsgesetz, Bundesvertriebenengesetz) sowie deren Bedeutung für den Aufenthaltsstatus der betreffenden Personen. Im Blick auf die Ausländergesamtzahl wird deutlich, dass sich die Zahl der zugewanderten EU- Bürger sowie Ausländer aus über 130 verschieden Nationen mehr als verdoppelt hat.

Den zweiten Vortrag übernahmen Frau Schrenk (Landkreis Mittelsachsen) und Frau Schmidt (IQ Netzwerk Sachsen). Frau Schrenk gab einen kleinen Einblick in die O-Töne der letzten Messe zur Integration in den Arbeitsmarkt.

Frau Schmidt ist im Beratungsbereich der Qualifikation tätig. Der Input ihres Vortrages trug den Titel „Meilensteine – Ausbildung und Arbeit“. Sie stellte das Förderprogramm „Integration durch Qualifikation (IQ)“ vor. Für viele Migrant*innen stellt das Finden einer passenden Ausbildung sowie Arbeitsstelle eine Schwierigkeit dar. Das größte Problem ist die sprachliche Barriere. Das IQ- Netzwerk Sachsen hat dazu ein Förderprogramm mit dem Ziel „Nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund“ entwickelt.

Die Handlungsschwerpunkte dieses Förderprogrammes sind die Beratung zur Anerkennung und Qualifikation, die Qualifizierung im Kontext des Anerkennungsgesetzes, die interkulturelle Kompetenzentwicklung für Arbeitsmarktakteure sowie Schulungen, Info- und Vernetzungsver-anstaltungen.

Im dritten Teil des Vormittagsprogrammes sprachen drei Menschen mit Migrationshintergrund über ihr Leben in Deutschland. Frau Schrenk, welche die Moderation zu dem Thema „Ankommen: Ein herausfordernder Weg- Migranten im Gespräch“ führte, hieß Frau Wicke aus Vietnam, Frau Alami mit ihrer Tochter aus Afghanistan und Herrn Kanbar aus Syrien willkommen.

„Wir wollen nicht nur über Migranten reden, sondern Migranten zu Wort kommen lassen und ihnen eine Stimme geben.“ – Frau Schrenk

Frau Wicke lebt seit 1987 in Deutschland. Sie berichtet, dass sie gut in Deutschland angekommen und eingebürgert ist und sich sehr wohl fühlt. Frau Wicke engagiert sich in einem Vietnamesischen Verein und ist Stadträtin in Brand-Erbisdorf.

Frau Alami und ihre Tochter sind seit 2013 in Deutschland. Hier ist sie in einem Nähcafé tätig und betreut ehrenamtlich Familien als Dolmetscherin bei Arztbesuchen und anderen wichtigen Terminen.

Herr Kanbar ist seit 2015 in Deutschland. Er arbeitet beim Deutschen Roten Kreuz und ist zusätzlich in unterschiedlichen Projekten (u.a. als Integrationskoordinator der Stadt Hainichen) tätig.

Alle drei Gäste schätzten ein, dass Deutschland über einen anderen kulturellen Hintergrund im Vergleich zu ihren Heimatländern verfügt und man lernen muss mit dieser Kultur umzugehen und zu leben. Sie hoben hervor, dass Sport, Musik und Kultur Menschen verbindet, egal woher sie kommen.

Alle drei wollen in fünf Jahren immer noch in Deutschland sein und in Sicherheit ein friedliches Leben führen.

Herr Prof. Beetz verabschiedete Frau Wicke, Frau Alami, ihre Tochter und Herrn Kanbar mit den Worten „Danke für Ihren Optimismus“. Im Anschluss an die Mittagspause fanden verschiedene Workshops statt.

Workshop 1: Fallstricke in der Bürokratie - FormularLotse

Die Leiter*innen dieses Workshops waren Herr Fuchs und seine Kollegin vom Treibhaus e.V. Döbeln. Nach der Begrüßung erläuterte er den Ablauf des Seminares. Im ersten Schritt stellte er die angebotene Migrationsberatung für Erwachsene mit gesichertem Aufenthaltsstatus im Umkreis von Döbeln vor. Bis 2018 gab es 966 Beratungseinheiten, die 2016 einen erhöhten Bedarf aufwiesen. Betont wird immer wieder, dass keine Rechtsberatung durchgeführt werden kann. Die Anforderungen an die Beratenden haben sich im Laufe der Zeit geändert. Die Klient*innen sind mittlerweile im Alltagsleben angekommen und damit stehen sie vor anderen Herausforderungen. Bis 2017 wurden Themen wie Kita, Krankenkasse, Arztbesuche, Grundsicherung präsenter. Nicht selten wird die Unverständigkeit der Migrant*innen ausgenutzt und sie werden in Verbraucherfallen „gelockt“. Aktuell liegt der Schwerpunkt auf dem Ausfüllen von Formularen, dem Einhalten von Terminen, sowie Fristen und dem Kontakt mit Behörden.

Diese Tatsache erklärt die Entstehung des Angebotes „FormularLotse“. Der Bedarf an Hilfe beim Ausfüllen von Formularen steigt. Herr Fuchs verdeutlicht das an Hand von zwei Bildern auf dem ein und dasselbe Formular einmal in deutscher und einmal in arabischer Sprache zu sehen ist. Das Projekt soll den Klient*innen (Geflüchteten, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Leseschwäche) mit dem deutschen Behördenwesen helfen. Zur weiteren Entstehungsgeschichte und den Hürden des Projektes bringen die beiden Leiter des Workshops Erfahrungsberichte und Fallbeispiele aus der Praxis ein. Der nächste Punkt „Bedarfe und Probleme“ dient zum offenen Austausch miteinander. Die Teilnehmer*innen können sich mit Fällen ihrer Praxis an die Formularlotsen wenden. Ziel des Programmpunktes ist es, Tipps und Hinweise untereinander auszutauschen.

Workshop 2: „Kinder und Jugendliche zwischen den Kulturen“.

Frau Helbig aus Freiberg und Frau Voigt vom Kreativcafé Döbeln leiteten diesen Kurs. Thematisiert wurde die Auswertung einer Umfrage. In den Städten Döbeln, Mittweida und Freiberg wurden 70-80 jugendliche Migrant*innen im Alter von 11-14 Jahren interviewt. Ihnen wurden Fragen zu den Themen Ausbildung/Beruf, Bildung/Sprache und Soziales/Freizeit gestellt. Die Bedarfsanalyse zeigte, dass viele Jugendliche in allen drei Bereichen unterstützt werden möchten. Gerade im Bereich der Ausbildung und der beruflichen Orientierung wurde deutlich, dass sie bereit sind, einer Ausbildung nach zu gehen, jedoch fehlen ihnen bestimmte Voraussetzungen und Inhalte. Viele nehmen die Berufsberatungen nicht wahr und wissen nicht, was sie für berufliche Möglichkeiten haben. Hierbei sollten die Jugendlichen mehr begleitet werden.

Im zweiten Teil des Workshops wurde eine Angebotskarte erstellt, welche Migrant*innen zeigen soll, welche Angebote für sie im Landkreis Mittelsachsen greifbar sind. Mit dem Wissen der Teilnehmer*innen, welche aus unterschiedlichen Praxisbereichen kamen, konnten wir viele Initiativen, Vereine und Begegnungsstädten nennen. Die Weiterführung dieser Angebotskarte übernimmt Frau Helbig.

Ziel ist es, aller zwei Monate ein Angebot im Kurzporträt, als Newsletter, an die Beteiligten zu verschicken. Die Angebote sollen populärer und transparenter werden, um diese an Jugendliche heranzutragen.

Workshop 3: Von passiv zu aktiv: „Mehr als sicher, trocken und warm?!“

Inhalt der Diskussion in diesem Workshop bildete die politische Dimension des Engagements für geflüchtete Menschen. Hier stand die Frage im Mittelpunkt, inwieweit die Unterstützung und Begleitung Geflüchteter eben auch politisch ist/sein kann. In einer Gruppenarbeitsphase setzten sich die Teilnehmer*innen mit folgenden Fragestellungen auseinander und tauschten ihre Erfahrungen dazu aus: Welche Themen bewegen die Unterstützenden aktuell? Wo sehen sie Handlungsbedarf und soll mit dem Engagement auch „ein politisch sein“ gezeigt werden? Engagierte in der Flüchtlingsarbeit sehen vor allem in der Bereitstellung von Wohnraum, in der erfolgreichen Integration in Ausbildung und Arbeitsmarkt und der sprachlichen Entwicklung Handlungsbedarf. Daneben berichten sie auch über Diskriminierungs -und Ausgrenzungserfahrungen von Geflüchteten. In der weiteren Diskussion wurde festgestellt, dass Unterstützung und Hilfe auf der Ebene der Humanität sehr oft im Widerspruch mit den gesetzlichen Grundlagen steht und sich Unterstützer*innen in einem Handlungsdilemma befinden. Auf die Frage, welche Bedingungen für das politische Handeln förderlich sind, wurde herausgearbeitet, dass Vernetzung dabei hilft, um Arbeit zu politisieren. Strukturelle Hindernisse werden sichtbar, darauf kann die Politik aufmerksam gemacht werden. Ein weiteres Diskussionsergebnis bestand in der Wahrnehmung, dass ein Großteil der Engagierten, nicht „politisch“ sein will, sondern lediglich der „helfende“ Aspekt im Mittelpunkt steht. Die derzeitige politische Situation trägt dazu bei, dass viele Menschen sich nicht als politisch handelnd begreifen möchten.

Am Ende der Fachveranstaltung wurden die Ergebnisse aus den Workshops zusammengefasst.

Vielen Dank an die Hochschule, an das Organisationsteam des Fachtages und an die zahlreichen Teilnehmer*innen, welche sich aktiv einbrachten und dem Thema „Leben im Landkreis – Miteinander gestalten“ eine entsprechende Bedeutung gaben!