Exkursion Torgau

Wenn du nicht brav bist, kommst du ins Heim!

Soziale Probleme in der DDR? Niemals! Diese galten als Überbleibsel des Kapitalismus und würden sich mit voranschreitendem Sozialismus von selbst lösen. Somit galt Erziehung als eine Bildungsaufgabe mit dem Ziel, dass „... am Ende der sozialistische Staatsbürger als Erziehungsergebnis herauskommen (muss)“ (Tagungsprotokoll der Zentralstelle für Spezialheime. 1965).

Im Rahmen des Seminars ‚Fremdenangst und Bildungsarbeit‘ besuchten wir die Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof in Torgau, um uns ein Bild von dieser Art der schwarzen Pädagogik und der letzten Instanz des DDR Erziehungssystems zu machen. Von dem ehemaligen Gebäudekomplex ist heute noch das Verwaltungsgebäude erhalten, in welchem sich eine kleine, aber tiefgreifende Ausstellung zum repressiven DDR-Erziehungssystem befindet. Der Rest wurde zu Wohnungen umgebaut, in dessen Kellerräumen sich noch einige Dunkelzellen und der „Fuchsbau“ befinden.

Der geschlossene Jugendwerkhof nahm bis zu 60 Jugendliche im Alter von 14-16 Jahren, geteilt in zwei Jungen- und eine Mädchengruppe, auf. Die Heimeinweisung war ein Verwaltungsakt, der keine Einspruchsmöglichkeit zuließ, ebenso wenig war eine Zustimmung der Eltern notwendig oder ein richterliches Urteil. Gründe für eine Einweisung waren z.B. die Zugehörigkeit zu einer Jugendsubkultur oder die Nicht-Teilnahme an den üblichen Jugendorganisationen, oft aber waren Dauer und Gründe ungewiss- für die Jugendlichen eine hohe psychische Belastung.

Unter militärischem Umgangston wurde die Persönlichkeit der Jugendlichen gebrochen, der Tagesablauf war minutiös durchgeplant, Freizeit gab es nicht, ebenso wenig wie Privatsphäre, auf Lachen und Singen folgten Strafen für die ganze Gruppe, um das Kollektivbewusstsein zu stärken. Die Realität: Nachts wurde sich gerächt.

Besonders beeindruckend war das Zeitzeugengespräch. Der sexuelle Missbrauch durch ihren Vater, spielte in ihrer Akte keine Rolle, schilderte uns die Zeitzeugin, welche zudem noch vom Direktor des Jugendwerkhofes missbraucht wurde. Um dem täglichen Druck und der Schikane zu entgehen und auf die Krankenstation zu kommen, steckte sie sich sogar eine Nadel in den Arm und aß einen Alulöffel. Noch immer leidet die Frau unter dem Aufenthalt im geschlossenen Jugendwerkhof Torgau, so ist sie bis heute nicht in der Lage einige der Räumlichkeiten und Zellen zu besichtigen.

Die meisten Betroffenen haben bis heute mit körperlichen und psychischen Folgeschäden der "Schocktherapie" zu kämpfen.

Innerhalb des Seminars besuchten wir weiterhin das Staatsarchiv in Leipzig und die Gedenkstätten Bautzen (Bautzen II) und Ehrenhain Zeithain. Sächsische Gedenkstätten


Autoren: Melanie Werner, Yvette Hauptlorenz